Die 10 wichtigsten Fragen und Antworten zur Umsatzsteuer

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Wenn man als Existenzgründer die Kleinunternehmerregelung nicht in Anspruch nimmt, kommt man nicht umhin, sich mit der Thematik der Umsatzsteuer zu beschäftigen. Hier gilt es, viele Fragen zu beantworten: Ist die Dauerfristverlängerung sinnvoll oder nicht? Soll- oder Ist-Versteuerung? Wie verfasse ich eine gesetzeskonforme Rechnung? Andreas Reichert, Steuerberater und Vorstand der felix1.de AG Steuerberatungsgesellschaft, gibt im Interview Antworten auf diese und weitere Fragen zur Umsatzsteuer.

 

 

Für-Gründer.de: Hallo Herr Reichert, aus Verbrauchersicht kennen wir alle die Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer. Was aber ist für Gründer mit der Umsatzsteuer verbunden?

 

Andreas Reichert, felix1.de: Jeder Unternehmer, also auch jeder Gründer, muss eine Umsatzsteuererklärung vorlegen. Zudem müssen Unternehmer Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben, Gründer müssen das in den ersten zwei Jahren sogar monatlich machen.

Umsatzsteuer zahlt ein Unternehmer allerdings nicht, wenn er unterhalb bestimmter Umsatzgrenzen bleibt und von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch macht. In diesem Fall braucht der Gründer keine Umsatzsteuervoranmeldung abzugeben. Von der Abgabe der Umsatzsteuererklärung bleibt er als Kleinunternehmer allerdings nicht verschont. Der Grund: Das Finanzamt prüft dadurch, ob er die Umsatzgrenze als Kleinunternehmer einhält und auch weiterhin einhalten wird.

Andreas Reichert von felix1.de Andreas Reichert von felix1.de empfiehlt allen Gründern, die Dauerfristverlängerung zu beantragen. (Foto: felix1.de)

Für-Gründer.de: Nun kommt für die Jungunternehmer auch das Thema Vorsteuer hinzu. Was verbirgt sich dahinter?

Andreas Reichert, felix1.de: Die Vorsteuer ist nichts anderes als die Umsatzsteuer, die einem Unternehmer in Rechnung gestellt wird, wenn er von einem anderen Unternehmer eine Leistung erhalten hat. Diese Umsatzsteuer zahlt er zwar an den anderen Unternehmer. Er kann sich diese aber vom Finanzamt zurückholen – und das nennt man dann Vorsteuer.

Genau wegen der Vorsteuer sollte der Unternehmer auf eine korrekte Rechnung bestehen, denn sonst kann er keinen Vorsteuerabzug nehmen.

Für-Gründer.de: Wie sieht eine korrekte Rechnung aus?

Andreas Reichert, felix1.de: Unternehmer müssen darauf achten, dass die Rechnung alle Pflichtangaben enthält. Das sind die folgenden:

  • Name und Anschrift des Unternehmers sowie des Leistungsempfängers
  • Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des leistenden Unternehmers
  • Menge und handelsübliche Bezeichnung des Liefergegenstandes oder Art und Umfang der Leistung
  • Zeitpunkt der Lieferung/Leistung
  • Entgelt für die Lieferung/Leistung
  • der auf das Entgelt entfallende Steuerbetrag, der gesondert auszuweisen ist,
  • oder ein Hinweis auf eine eventuelle Steuerbefreiung
  • der anzuwendende Steuersatz
  • Rechnungsdatum
  • fortlaufende Rechnungsnummer
  • zusätzliche Angaben in Sonderfällen

Wenn Sie eine unvollständige Rechnung erhalten, bestehen Sie auf Neuausstellung einer korrekten Rechnung.

Für-Gründer.de: Unternehmer müssen beim Finanzamt die Umsatzsteuervoranmeldung einreichen. Welche Pflichten haben sie dabei im Rahmen der Buchhaltung zu erfüllen?

Andreas Reichert, felix1.de: Unternehmer müssen darauf achten, dass sie die richtigen Konten ansprechen, damit die Buchungen auch in die richtigen Felder der Umsatzsteuervoranmeldung laufen. Voraussetzung ist eine ordentliche Buchführungssoftware. Nutzen Sie daher auf keinen Fall Excel für Ihre Buchhaltung. Hier sind Fehler vorprogrammiert.

Wer bei der Buchhaltung Fehler macht, riskiert damit eine falsche Voranmeldung. Damit kann er sich einer Steuerhinterziehung auf Zeit strafbar machen und es drohen Geldstrafen und Zinszahlungen.

Für-Gründer.de: Welche Fristen gelten bei der Umsatzsteuervoranmeldung und was raten Sie jungen Unternehmen an dieser Stelle konkret? Und ganz praktisch: Wann bucht das Finanzamt ab?

Andreas Reichert, felix1.de: Als Gründer ist in den ersten zwei Jahren eine monatliche Umsatzsteuervoranmeldung abzugeben. Fällig ist die Anmeldung immer am 10. des Folgemonats – der Unternehmer muss also die Voranmeldung für März am 10. April abgeben.

Tipp: Beantragen Sie eine Dauerfristverlängerung – damit verlängert sich die Frist für die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung um einen Monat. Der Antrag muss auch nicht begründet werden.

Mit dem gleichen Tag muss die Umsatzsteuer auch gezahlt werden. Allerdings hat der Unternehmer drei Tage Schonfrist, wenn er das Geld überweist. Sprich: Die Zahlung der März-Umsatzsteuer muss am 13. April beim Finanzamt sein.

Tipp: Erteilen Sie dem Finanzamt eine Einzugsermächtigung. Dadurch können Sie nicht in Zahlungsverzug geraten. Sie müssen sich dann nur noch darum kümmern, dass die Umsatzsteuervoranmeldung pünktlich eingereicht wird.

Für-Gründer.de: Im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung können Gründer entscheiden, ob sie die Soll- oder Ist-Versteuerung nutzen wollen. Was sind die Unterschiede und wo liegen Stolpersteine?

Andreas Reichert, felix1.de: Soll-Versteuerung bedeutet, dass die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldezeitraums entsteht, in dem die Leistung ausgeführt wurde. Bei der Ist-Versteuerung dagegen entsteht die Steuer erst mit Ablauf des Voranmeldezeitraums, in dem das Geld tatsächlich gezahlt wurde.

  • Beispiel: Gründer G führt am 5.2. eine Leistung aus und stellt Unternehmer U am selben Tag die Rechnung. U zahlt am 6.4. Bei der Soll-Versteuerung muss G die Umsatzsteuer bis zum 10.3. an das Finanzamt abführen. Wählt er dagegen die Ist-Versteuerung, ist die Umsatzsteuer erst am 10.5. fällig.

Stolpersteine gilt es hier eigentlich keine. Wichtig zu wissen ist nur:

Die Ist-Versteuerung müssen Sie beantragen, sonst gilt für Sie automatisch die Soll-Versteuerung.

Für-Gründer.de: Wer kann die Ist-Versteuerung für sich nutzen?

Andreas Reichert, felix1.de: Die Ist-Versteuerung ist nur in bestimmten Fällen möglich:

  1. Sie sind nicht zur Buchführung verpflichtet oder
  2. Sie üben einen freien Beruf aus oder
  3. Ihr Umsatz hat im Vorjahr nicht mehr als 500.000 Euro betragen.

(Anmerkung Für-Gründer.de: Seit 1.1.2023 liegt diese Umsatzgrenze bei 800.000 €, bis 2023 lag sie bei 600.000 €.)

Für-Gründer.de: Bei Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung gibt es Sonderregelungen. Was hat es damit auf sich?

Andreas Reichert, felix1.de: Die Kleinunternehmerregelung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn der Umsatz 17.500 Euro nicht übersteigt. Dabei handelt es sich um den voraussichtlichen Jahresumsatz. Wird das Unternehmen also unterjährig gegründet, muss der Umsatz hochgerechnet werden.

  • Beispiel: Gründung am 1.7., Umsatz von 8.000 Euro bis Jahresende. Hochgerechnet würde der Gründer also 16.000 Euro Umsatz machen. Damit liegt er nicht über 17.500 Euro und der Gründer kann demnach von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen kann.

Für die Folgejahre gilt aber: Die Umsätze dürfen im Vorjahr nicht über 17.500 Euro gelegen haben und im laufenden Jahr voraussichtlich nicht mehr als 50.000 Euro betragen.

Noch ein wichtiger Hinweis: In bestimmten Fällen kann es günstiger sein, freiwillig zur Umsatzsteuer zu optieren, insbesondere dann, wenn man hauptsächlich Unternehmer als Kunden hat.

Für-Gründer.de: Und noch ein Sonderfall: Ein Unternehmen verkauft ins Ausland – was ist zu beachten, damit die Rechnung umsatzsteuerfrei ausgestellt werden kann?

Andreas Reichert, felix1.de: Da kann man nicht für alle Auslandsfälle eine pauschale Antwort geben. Ob eine Leistung steuerfrei ist, hängt von verschieden Faktoren ab:

  1. Dem Ort und der Art der Lieferung bzw. Leistung
  2. Ob es sich um Privatkunden oder Unternehmer handelt
  3. Ob es sich um ein Land innerhalb oder außerhalb der EU handelt
  • Beispiel für eine umsatzsteuerfreie Leistung: Unternehmer A aus Deutschland verkauft und versendet einen Tisch an Unternehmer B mit Sitz in Italien. B gibt seine Umsatzsteuer-ID an. Sowohl die Umsatzsteuer-ID von A als auch diejenige von B müssen auf der Rechnung angegeben werden. Ein Hinweis, dass der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, gehört ebenfalls auf die Rechnung. Nun ist die Leistung für A umsatzsteuerfrei.

Tipp: Die Umsatzsteuer-ID beantragen Sie mit der steuerlichen Anmeldung im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung. Dies sollten Sie auch tun. Entscheiden Sie sich erst später dazu, beantragen Sie die Umsatzsteuer-ID ganz einfach online beim Bundeszentralamt für Steuern.

Für-Gründer.de: Und zum Abschluss welche wichtigen Tipps möchten Sie Gründern beim Thema Umsatzsteuer mit auf den Weg geben?

Andreas Reichert, felix1.de: Ich fasse noch einmal die aus meiner Sicht wichtigsten Ratschläge zusammen:

  1. Beantragen Sie die Ist-Versteuerung.
  2. Beantragen Sie eine Umsatzsteuer-ID.
  3. Machen Sie nicht von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch, sondern zahlen Sie lieber freiwillig Umsatzsteuer, wenn Sie hauptsächlich Unternehmer als Kunden haben.
  4. Beantragen Sie eine Dauerfristverlängerung.

Für-Gründer.de: Vielen Dank für das Interview.

Erfahren Sie von Andreas Reichert beim Startup Talk der IHK Berlin, wie felix1.de Gründern und Jungunternehmern bei steuerlichen Themen helfen kann. Der Startup Talk ist kostenfrei und findet am 19. November um 18 Uhr als Google Hangout statt.

Kontakt zu Andreas Reichert:

 

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