4-Tage-Woche oder unbegrenzt Urlaub - diese Start-ups machen's möglich

|
Weitere Themen

Widerstand gegen Entlassungen und die Einführung des 8-Stunden-Tags - Forderungen wie diese waren der Ursprung des 1. Mais. Zum morgigen "Tag der Arbeit" stellen wir drei Start-ups vor, die den Grundgedanken einer guten Work-Life-Balance leben: etwa durch eine 4-Tage-Woche, unbegrenzt Urlaub oder selbst festgelegtes Gehalt. Eine Traumlösung für alle?

 

#1: 4-Tage-Woche bei Bike Citizens

2011 gründeten die Fahrradkuriere Daniel Kofler und Andreas Stückl Bike Citizens, eine App für Fahrradnavigation, Routing und die Analyse des Radverkehrs. Das Start-up will das Radfahren in Städten attraktiver machen und zu einer Verbesserung der urbanen Lebensqualität beitragen. Die App bietet hierzu eine Plattform für Information und Austausch: Gemeinsam mit Städten, Unternehmen und Organisationen arbeitet Bike Citizens an Softwarelösungen sowie Kommunikations- und Marketingkonzepten zur Förderung des Radverkehrs. Das Unternehmen mit Sitz in Graz und einem weiteren Standort in Berlin lebt das Thema "Lebensqualität" auch mit Blick auf die Work-Life-Balance im eigenen Unternehmen und führte 2015 die 4-Tage Woche ein. Bike Citizens dazu:

Wir haben eine 4-Tage-Woche, um mehr Zeit zum Radfahren zu haben und den Kopf freizubekommen!

Bike Citizens 4-Tage-Woche 4 Tage arbeiten, drei Tage frei - möglich bei Bike Citizens (Foto: Bike Citizens)

#2: Jobsharing und mehr bei Tandemploy

Tandemploy ist eine Plattform, die Jobsharing fördern will. Wer sich für einen geteilten Arbeitsplatz interessiert, kann auf dem Onlineportal einen passenden Tandempartner finden. Unternehmen, die diesem Konzept offen gegenüberstehen, können dort nach motivierten Mitarbeitern suchen. In diesem Video erfahrt ihr, wie Jobsharing genau funktioniert.

<iframe src="https://player.vimeo.com/video/159383992?title=0&amp;byline=0&amp;portrait=0" width="650" height="366" frameborder="0" allowfullscreen="allowfullscreen"></iframe>

Doch das Wichtige: Der Schuster hat hier nicht die schlechtesten Schuhe. Im Gegenteil. Das, was das Unternehmen nach außen trägt, wird auch intern hochgehalten:

Live what you preach ist unser Motto. Deshalb arbeiten wir selber in höchstem Maße flexibel. Neben drei Jobsharing-Tandems gibt es in unserem Team aktuell sechs KollegInnen mit einer 4-Tage-Woche und drei interdisziplinäre Projektteams. 2016 haben wir offiziell die klassische "Vollzeitstelle" abgeschafft. Denn wer hat eigentlich entschieden, dass jeder Job am besten in 40 Stunden die Woche passt?

#3 Unbegrenzt Urlaub & selbst bestimmtes Gehalt bei Einhorn

Einhorn Das Team von Einhorn bestimmt Urlaubstage und Gehalt selbst (Foto: Einhorn)

Demokratisierung der Wirtschaft ist das Buzzword, das zu Einhorn passt. Das Kondom-Start-up aus Berlin plädiert seit 2016 weniger Hierarchien und mehr Selbstbestimmung. Die "Unternehmer im Unternehmen" (nicht "Mitarbeiter") bestimmen seither Urlaub und Gehalt selbst. Natürlich muss man vorher eine Lösung finden, wie die Arbeit trotzdem erledigt werden kann. Also z.B. bei kurzem Urlaub etwas vorarbeiten, bei langem Urlaub ein paar Stunden pro Tag vom Urlaub aus arbeiten und so weiter. Aber wie funktioniert das beim Gehalt? In einem Teammeeting hat jeder sein Gehalt offengelegt und gesagt, was er sich eigentlich wünscht - einschließlich einer guten Begründung. Da die Gesamtsumme am Ende nicht allzu hoch war, haben die Gründer die Gehälter im Anschluss an dieses Meeting einfach entsprechend angepasst. Mehr zum Ablauf dieses Beschlusses, lest ihr in diesem Blogbeitrag aus dem Jahr 2016 von Einhorn.

Das Experiment hat im Übrigen sehr gut funktioniert: Heute ist das Konzept aber etwas gedeckelter. So darf beispielsweise das höchste Gehalt maximal dreimal so hoch sein wie das niedrigste. Außerdem gibt es ein Baukastensystem, das sich beispielsweise aus der Beachtung persönlicher Lebensumstände (bspw. 400 Euro netto mehr pro Kind) sowie der Ausbildung/Arbeitserfahrung und der Rolle bei Einhorn zusammensetzt. Das Fixgehalt liegt für jeden bei 2.500 Euro brutto. Wer sich für die genaue Aufschlüsselung interessiert, der sollte diesen Beitrag im Einhorn-Blog lesen.

Das perfekte Arbeitskonzept für alle? Eher nicht!

Was erst einmal traumhaft klingen mag, ist vermutlich nicht die Pauschallösung für alle Unternehmen. So ist etwa in Schweden der - zunächst hochgelobte - Versuch eines 6-Stunden-Tags gescheitert. Das Projekt sollte die Motivation der Mitarbeiter erhöhen und Krankmeldungen reduzieren. Hierbei galt das Toyota-Werk in Göteborg als Vorreiter, andere Firmen folgten dem Beispiel: darunter auch Unternehmen aus der Gesundheitsbranche und Pflege. Nach zwei Jahren wurde der Test als gescheitert erklärt. Die Begründung war unter anderem, dass mehr Personal benötigt wurde, was in der Summe deutlich teuer war, als weniger Personal zwei Stunden länger pro Tag zu beschäftigen. Teilweise gab es außerdem auch mehr Krankmeldungen als vorher - ein Zusammenhang zwischen der geleisteten Stundenanzahl pro Tag und der Gesundheit der Mitarbeiter konnte also nicht festgestellt werden.

Auch auf Seite der Mitarbeiter sind diese Modelle nicht jedermanns Sache. Schon beim Thema Homeoffice streiten sich die Gemüter darüber, ob man ein "Homeoffice-Typ" ist oder nicht. Viele benötigen klare Regeln und Vorgaben sowie einen offiziellen Rahmen, um sich im Arbeitsalltag zu organisieren. So hat erst neulich F.A.Z.-Journalist Felix Hooß nach einem Jahr in einem holländischen Start-up in seinem Erfahrungsbericht "Mein verrücktes Jahr im Start-up" zusammengefasst, dass er absolut nicht der Typ für unbegrenzten Urlaub, die täglich flexible Wahl des Arbeitsplatzes und ein kostenloses Mittagessen im Büro ist, wenn Themen wie Betriebsrente, Weihnachtsgeld oder dokumentierte Arbeitszeiten dafür wegfallen. Auch die halbjährlichen "Performance Reviews" taugten ihm nicht. So zog er für sich das Fazit:

Unbegrenzter Urlaub hört sich toll an, aber die Realität war, dass ich praktisch nie welchen nahm. Und dass die Grenze zwischen Beruf und Freizeit verschwimmt, weil einem der Beruf so viel bedeutet, heißt eben auch, dass man irgendwann keine Freizeit mehr hat.

Für flexible Arbeitszeitmodelle benötigt es also Vertrauen, Akzeptanz und vermutlich ein ganzes Stückchen Übung - seitens der Arbeitgeber, aber auch der Arbeitnehmer. Was sind eure Erfahrungen mit der 4-Tage-Woche & Co.? Hinterlasst gerne einen Kommentar auf Facebook für uns!

zurück
Arbeitszeit
Tag der Arbeit
Tandemploy
Mitarbeitermotivation
Unternehmerheld
Bike Citizens